Rubrikenbild Fan- & Vereinskultur
Artikelbild Weit mehr als nur Fußball: FC Lampedusa Sankt Pauli – Here to play!

Weit mehr als nur Fußball: FC Lampedusa Sankt Pauli – Here to play!

An einem für Hamburg typischen lauen Herbstabend im August treffe ich die Trainerinnen und einen der Spieler des FC Lampedusa Sankt Pauli in einer Kneipe im Viertel.

Das Testspiel zum Saisonauftakt gegen Sevilla ist noch nicht allzu lange her und die Begeisterung über den Tag noch spürbar. Die Spieler vom FC Lampedusa waren zusammen mit den Profiteams des FC St. Pauli und FC Sevilla auf den Platz gegangen, auch durch den neu gemachten Spielertunnel „und dass Ewald Lienen da war, war natürlich besonders toll!“ betont Hagar, eine der Trainerinnen. Fernando, der aktuell an einem Kreuzbandriss leidet, hatte den Sevilla-Spielern zudem auf Spanisch erklärt, was es mit dem FC Lampedusa auf sich hat. Auch diese waren sehr angetan, der Torwart der Spanier schenkte ihnen nach dem Spiel noch seine Handschuhe.

 

Doch was ist der FC Lampedusa und wie kam das Ganze zustande?

 

„Also, das Ganze begann ja mit den Männern, die von Lampedusa hierherkamen und zwischenzeitlich Kirchenasyl in der St. Pauli-Kirche gefunden haben, Mitte 2013 war das.“ erklärt Kim. „Damals war das aber eher eine informelle Fußballgruppe.“ Diese traf sich häufiger im Park zum Fußballspielen und wurde von Fundraisern bei Kiezhelden oder anderen Spenden unterstützt.

Neu aufgerollt wurde die Sache im Rahmen der Gezi Park Fiction-Aktionen. Aus der Lampedusa-Soligruppe entstand damals der FC Lampedusa Hamburg. „Da waren wir, Leute aus der Hafenstraße und vom Frauenfußball und die meinten ‚Ihr könnt doch Fußball spielen, macht doch mal was mit denen.‘“ erinnert sich Hagar. Trainerinnen und Spieler gab es also, als nächstes musste ein Sportplatz fürs Training gefunden werden. Aufgrund der Knappheit an Sportstätten auf Sankt Pauli gestaltete sich das als gar nicht so einfach. Außerdem gab es zwar viele Angebote auf Facebook, aber manche gestalteten sich als wenig hilfreich. Beim ersten Verein gab es zum Beispiel Ärger mit dem Platzwart, der sich rassistisch beim Bezirksamt beschwert hatte. Andere Kontaktaufnahmen waren da netter und hilfreicher, wie die mit dem FC Hamburg Berg, der einen Teil seines Trainingsplatzes zur Verfügung stellte. Um einen regelmäßigen Spielbetrieb zu garantieren, versuchte sich das Team in einer Freizeitliga. Dessen Vorstand sei zwar auch sehr kooperativ und kulant gewesen, die Interaktion mit einigen der Teilnehmer*innen selber war aber alles andere als angenehm, so der Trainerinnenstab.

Mit der Zeit wandelte sich der FCL. Die Zeit der Öffnung der Gruppe wird nach einiger Diskussion aufs Frühjahr 2015 datiert. Damals wurde der Name FC Lampedusa als symbolischer Hinweis auf die Ausgangsgeschichte und den Zusammenhang mit Migration beibehalten. Viele Leute der ersten Generation waren bereits entweder in anderen Mannschaften untergekommen, oder abgeschoben worden, ein stete Konstante in der Biografie von Geflüchteten. Die stete Bedrohung durch Abschiebung gefährdet und zerreißt gewachsene Bindungen im Club. Über 100 Leute die mal im FC Lampedusa gekickt haben sind bereits weg. Die Spieler halten dennoch Kontakt, vor allem per Facebook.

Beim FC Lampedusa spielen sowohl minderjährige unbegleitete Geflüchtete, als auch solche, die mit ihren Familien hier sind. Ob jemand mitspielen darf, hängt nicht vom Aufenthaltsstatus ab, nur 16 Jahre alt sollte die Person sein. „Wir legen Wert darauf, dass unser Altersschnitt bei 19,10 Jahren liegt!“ meint Nico mit einem Augenzwinkern. Die Spieler kommen aus allen möglichen Ecken der Welt, sprechen viele verschiedene Sprachen und haben unterschiedliche Aussichten in Deutschland und trotzdem ist der Zusammenhalt gut. Auch das zeigt: es geht hier um mehr als nur Fußball. Für die Meisten sind Training, Spiele und Ausflüge auch Ausweg und Ablenkung vom bedrückenden Alltag in der Geflüchtetenunterkunft. Außerdem ist es für sie eine sportliche Heimat, in der sie eben nicht mehr „Flüchtlinge“ sind, sondern Fußballspieler.

An einem geregelten Spielbetrieb nimmt der FC Lampedusa aktuell nicht teil. Es gibt auch so genügend Angebote für Freundschaftsspiele- und turniere, oder andere Auftritte. So war ein Teil des Teams Anfang Juli sogar in der Schweiz, beim „Kick ohne Grenzen“-Turnier des FC Winterthur, eine tolle Erfahrung! (Zur Fotogalerie bei Milad Ahmadvand hier klicken!)

Zugleich konnten nicht alle aus dem Team dorthin. Wer per Duldung mit Residenzpflicht hier ist, braucht gar nicht erst versuchen auszureisen. Daher gibt’s als Alternative auch immer eine Tour innerhalb Deutschlands. So zum Beispiel zum Turnier von Project Hope in Köln. Oder am vergangenen Wochenende, wo sie einen Ausflug zum Turnier „Kicken gegen Rassismus“ in Schönfeld, Brandenburg machten und ungeschlagen direkt den 1. Platz erreichten.

Auch unabhängig von sportlichen Erfolgen ist das mediale Interesse groß, auch international. Nicht nur von zwei gelungenen TV-Reportagen im NDR und auf sky, sondern auch von Zeitungsberichten in Italien und einem sehr netten Interview mit einer Reporterin aus Indien wird mir berichtet.

 

Und wie führte diese Geschichte jetzt zu der Kooperation mit dem FCSP?

 

„Die Zusammenarbeit war letzten Endes eine logische Entwicklung“ meint Nico. Nach einigen guten und fruchtbaren Gesprächen, habe sich das lange angebahnt. Jetzt müsse sich natürlich zeigen, wie sich diese über die Nutzung des Platzes an der Feldstraße hinaus weiterentwickelt.

Klar ist, um das Ganze am Laufen zu halten braucht es nicht nur kontinuierliche Arbeit von den Spielern und den Trainerinnen, sondern auch Support aus der Fanszene. Und sei es nur durch den Kauf der FCLSP-Beutel und –Sticker am Spieltag.

Das nächste große Projekt soll ein Freundschaftsspiel gegen Welcome United 03, das Refugeeteam vom SV Babelsberg, werden. „Dazu brauchen wir aber auch die Unterstützung aus dem Verein. Da kannst du ja bei deinen Leuten auch mal die Werbetrommel rühren.“ wird mir noch mit auf den Weg gegeben. Das habe ich hiermit schon mal angefangen. Wir hoffen sehr, dass sich die Zusammenarbeit mit dem Verein so gut weiterentwickelt wie bisher. Herzlich Willkommen beim FC Sankt Pauli!

Für weitere Infos folgt dem FC Lampedusa auf Facebook!